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REHES: Research on Higher Education and Science in Switzerland

Module B1: Academic Professions

Exzellenz in der Slow University

Patricia Felber

Abstract:

Wissenschaftskulturforscher*innen warnen vor einem Qualitätsverlust in der Wissenschaft durch eine zunehmende Beschleunigung in der Forschung und Lehre (Nentwich & Offenberger 2017). Die Forscher*innen stehen unter einem enormen Leistungsdruck, zahlreiche herausragende Publikationen mit hohem lmpaktfaktor zu erstellen. Zudem werden ihre Leistungen in der Lehre, für die sie allzeit qualitativ hochstehendes Lehrmaterial und einen Podcast zur Verfügung stellen, immerzu evaluiert. Weiter wird von den Forschenden ein gewisses Mass an Drittmitteleinwerbung - oftmals in einem äusserst kompetitiven Umfeld -verlangt. Diese heutigen Umstände sind eine direkte Folge der neo-liberalen Evaluationskriterien, die in der Forschung, der Lehrtätigkeit und der Drittmitteleinwerbung an Hochschulen und Forschungsinstituten längst angewandt werden (Mountz et al. 2015).

Hinter dieser Entwicklung steckt das Schlagwort „Exzellenz" und die damit verbundene internationale Vergleichbarkeit und Einordnung von Hochschulen und deren Forschenden. Die zunehmende Quantifizierung der Forschung setzt ein hohes Mass an zeitraubendem Projektmanagement voraus. Verloren geht dabei nicht nur viel Zeit, sondern auch die Kreativität und das Risiko ein Forschungsthema zu bearbeiten, das zu keinen publizierbaren Daten führt (Müller und de Rijecke 2017, Müller 2014).

Die Slow University Initiative ist eine Bewegung von Wissenschaftler*innen aus Nordamerika, Grossbritannien, Deutschland und Belgien (O'Neill 2014, O'Neill et al. 2014, https://slowscience.be). Mithilfe von Massnahmen gegen die Beschleunigung in der Wissenschaft wird dem zunehmenden Zeitdruck auf die Wissenschaftler*innen Rechnung getragen. Als prioritäres Ziel wird die Qualitätssteigerung der wissenschaftlichen Forschungsresultate angesehen und die Rückbesinnung auf eine Zeit, als Forschung noch mit „Zeit zum Denken" zu tun hatte.

Der Slow University Gedanke soll auch an den Schweizer Hochschulen verbreitet werden, mit dem Ziel sich mit dem hohen Tempo im Wissenschaftsbetrieb auseinanderzusetzen, über Gegenmassnahmen nachzudenken und eine Strukturveränderung in der Wissenschaftskultur in Forschung, Lehre und Administration herbeizuführen.

Im Auftrag der Abteilung für Gleichstellung der Universität Bern wird mithilfe einer qualitativen Studie die Wahrnehmung der Arbeitssituation und der Studienbedingungen im heutigen Wissenschaftsbetrieb analysiert. In welchem Zusammenhang stehen die tägliche Arbeitsbelastung und die Pflichterfüllung einerseits und die Qualität der geleisteten Arbeit und den Anspruch auf Exzellenz anderseits? Wie schätzen Universitätsmitarbeitende das heutige System und den wissenschaftlichen Alltag ein und welche Möglichkeiten der Veränderung sehen sie? Das Paper trägt die Resultate der Studie vor und zeigt auf, wie in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe „Kritischer Exzellenzdiskurs" der Universität Bern

Literaturhinweise:

Mountz Alison, Anne Bonds, Becky Mansfield, Jenna Loyd, Jennifer Hyndman, Margaret Walten-Roberts, Ranu Basu, Risa Whitson, Roberta Hawkins, Trina Hamilton und Winifred Curran (2015): For Slow Scholarship: A Feminist Politics of Resistance through Collective Action in the Neoliberal University. In: ACME. An International E-Journal for Critical Geographies. Vol 14, No. 4, S. 1235 - 1259.

Müller Ruth (2014): Postdoctoral Life Scientists and Supervision Work in the Contemporary University: A Case Study of Changes in the Cultural Norms of Science. In: Minerva. A Review in Science, Learning and Policy.

Müller Ruth und Sarah de Rijecke (2017): Thinking with lndicators. Exploring the Epistemic Impacts of Academic Performance lndicators in the Life Science. Research Evaluation, Vol 26, No. 3, S. 157-168.

Nentwich Julia und Ursula Offenberger (2017): Meritokratie - Fakt oder Fiktion? Spannungsverhältnisse zwischen Exzellenz und Chancengleichheit. In: GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung (CEWS) (Ed.): Dialog-Tagung "Neue Governance und Gleichstellung der Geschlechter in der Wissenschaft": Tagungsdokumentation. Köln, 2017 (cews.publik 20).

O'Neill Maggie (2014): The Slow University: Work, Time and Well-Being. In Forum Qualitative Sozialforschung. Vol 15, No. 3, Art. 14.

O'Neill Maggie, Luke Mantell, Heather Mendick und Ruth Müller (2014): Slow Movement / Slow University: Critical Engagements. lntroduction to the Thematic Section. In Forum Qualitative Sozialforschung. Vol 15, No. 3, Art. 16. https://slowscience.be (Zugriff am 31.5.2019)

Die Schweizer Universitäten und die akademischen Zwangsmigranten während des Nationalsozialismus

Stefanie Mahrer, Universität Bern

Weitere Informationen zum Projekt: forced-academic-migration.net

Abstract:

Das Projekt (SNF-PRIMA) befasst sich mit dem bislang von der Forschung fast gänzlich vernachlässigten Schicksal von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die während der NS-Diktatur entweder aus sogenannten rassischen Gründen aus dem Hochschuldienst in Deutschland und Österreich entlassen wurden oder ihre Stellung aus moralischer und/oder politischer Überzeugung aufgaben und in der Folge versuchten, in der Schweiz ihre Karrieren fortzuführen.

Zum Zeitpunkt der nationalsozialistischen Machtergreifung Ende Januar 1933 befanden sich in Deutschland ungefähr 800 sogenannt nichtarische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Staatsdienst, die im April desselben Jahres mit dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" ihre Stellungen verloren, anderen wurden aus politischen Gründen zu späteren Zeitpunkten gekündigt, also weil sie etwa offen sozialistisch oder kommunistisch waren. Zusätzlich gaben nichtjüdische Professorinnen und Professoren ihre Laufbahn an deutschen Universitäten auf, weil sie sich dem Regime widersetzen wollten. Die Forschung geht von davon aus, dass zwischen 15 und 39 Prozent aller Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler während des NS ihre Stellen in Deutschland unfreiwillig oder freiwillig aufgaben. Weit über die Hälfte der Stellenlosen migrierte ins Ausland, ungefähr 50 davon in die Schweiz.

Wegen der restriktiven Flüchtlingspolitik konnte sich nur ein Teil dieser Personen langfristig in der Schweiz niederlassen, die restlichen waren gezwungen, das Land wieder zu verlassen. Die Frage nach dem Standort Schweiz im transnationalen Netzwerk der Wissenschaft im Exil während der Jahre 1933 bis 1950 leitet das Forschungsvorhaben an. Der transnationale Blick schliesst diejenigen mit ein, die in einen Drittstaat weitermigriert sind.

Das Projekt arbeitet unter anderem mit Methoden der Digital Humanities, um die Netzwerke der Migration darstellen zu können. In meinem Beitrag werde ich in einem ersten Teil das Projekt und seine Fragestellungen vorstellen um dann in einem zweiten Teil anahnd eines Beispiels die Möglichkeiten der Digital Humanities für die Forschung zu Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte darlegen.

Weiterführende Informationen

CHESS

Kompetenzzentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung

chess.uzh.ch